
Zug-Angebote unter dem Hammer - Warum Bayerns Bahnnetz bunter wird
Wer früher in einen Zug stieg, verreiste mit der Deutschen Bahn. Das hat sich längst geändert. Viele bayerische Bahnstrecken werden inzwischen von DB-Konkurrenten betrieben – eine Folge der 1986 gestarteten Bahn-Regionalisierung.
Die Zeiten des Monopols der Deutschen Bahn (DB) sind vorbei. Immer häufiger kommen bei Ausschreibungen von Bahnstrecken Konkurrenten des staatlichen Bahnunternehmens zum Zuge – wie jüngst bei der Vergabe des Nürnberger S-Bahn-Netzes. Das soll von 2018 an von dem britischen Bahnunternehmen National Express betrieben werden. Der Fall lässt die Diskussion über die knapp 20 Jahre alte Bahnreform wieder aufleben. Die ist nämlich Hintergrund der aktuellen Entwicklung.
Warum werden regionale Verkehrsleistungen wie der S-Bahn-Betrieb in Nürnberg und München europaweit ausgeschrieben?
Die EU fordert von den Mitgliedstaaten die europaweite Öffnung ihres Bahnverkehrs. In Deutschland wurde der Bahnverkehr schon 1986 regionalisiert. Der Bund übertrug den Bundesländern die Verantwortung für den regionalen Bahnverkehr – verbunden mit der Auflage, regionale Bahnnetze europaweit auszuschreiben.
Was bezweckt die EU damit?
Die EU, aber auch die deutsche Verkehrspolitik erhoffen sich davon mehr Wettbewerb auf der Schiene. Die Bahn-Unternehmen sollen einen Anstoß erhalten, modernere, komfortablere, sauberere Züge einzusetzen, die pünktlicher als bisher sind – und das nach Möglichkeit auch noch preisgünstiger.
Haben sich die Hoffnungen erfüllt?
Die landeseigene Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die in Bayern für die Vergabe von Bahnstrecken und -Netzen verantwortlich ist, ist davon überzeugt, dass der Wettbewerb das regionale Bahnangebot im Freistaat erheblich verbessert hat. So stieg das jährliche Angebot seit der Bahnreform 1986 von 80 Millionen auf 120 Millionen Zugkilometer – und das bei kaum gestiegenen Bundeszuschüssen. Seit 1986 rollen mehr als 300 neue Regionalzugwagen durch Bayern, so BEG-Geschäftsführer Johann Niggl. Er führt die Verbesserungen im Wesentlichen auf die „beflügelnde Kraft des Wettbewerbs“ zurück.
Wie sehen Verbraucherschützer diese Entwicklung?
Ihr Urteil fällt differenziert aus. Der Verkehrsexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Ottmar Lell, sieht in der Bahnregionalisierung durchaus Vorteile für die Bahnfahrgäste: Der regionale Bahnverkehr sei besser und kundenfreundlicher geworden. Auch habe der Wettbewerb die Stilllegung so mancher Bahnstrecke verhindert, die die Bahn schon so gut wie aufgegeben habe.
Aber die Regionalisierung habe auch zu einer Zersplitterung des Bahnangebots geführt, das Kunden mitunter verwirre. So habe jeder Betreiber sein eigenes Ticket und seinen eigenen Automaten. „In der einen Bahn muss ich mein Ticket im Zug lösen, in der anderen Bahn werde ich dafür zum Schwarzfahrer“, kritisiert der Verbraucherschützer. Hier sei dringend eine Vereinheitlichung erforderlich.
Welche Auswirkungen hat der wachsende Wettbewerb auf der Schiene inzwischen auf die Eisenbahnlandschaft in Bayern?
Bereits heute liegt der Anteil des unter Wettbewerbsbedingungen betriebenen regionalen Bahnangebots im Freistaat bei 50 Prozent, das entspricht einer jährlichen Leistung von 60 Millionen Zugkilometern. Diese werden nach Angaben der BEG jeweils zur Hälfte von der Deutschen Bahn und Konkurrenzunternehmen erbracht. Bis 2023 will die BEG das gesamte bayerische Regionalbahn-Angebot unter Wettbewerbsbedingungen betreiben lassen. In den kommenden Jahren soll beispielsweise der Bahnverkehr in Schwaben und im Allgäu, im Donau-Isar-Raum und der Region Würzburg ausgeschrieben werden.
rg / dpa