
Zu gut gemeint - Flüchtlingshilfe funktioniert nicht immer - Was wo gebraucht wird
In der Flüchtlingskrise wollen viele Menschen helfen, doch nicht jeder weiß, wie. Initiativen versuchen, die Hilfe zu koordinieren. Von tütenweise linken Schuhen, Yoga-Kursen und Kunstprojekten.
München – Die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge ist gerade in Bayern seit Monaten überwältigend. Doch nicht immer ist eine gut gemeinte Geste auch sinnvoll. „Bei manchen hat man den Eindruck, es geht weniger darum, ‚Was brauchen die Flüchtlinge?‘, sondern „Was brauche ich?““, sagt Ute Bujara von der Freiwilligen-Agentur „Tatendrang“ in München. Auch ihre Kollegin Jana Weidhaase vom Ehrenamt der Inneren Mission kennt dieses Problem. Beispielsweise kann die diakonia nur noch Sachspenden annehmen, die auch wirklich benötigt werden, denn die Lagerräume sin einfach überfüllt.
INFO:
Folgende Dinge werden derzeit noch benötigt: (Stand 21.10.2015 – Bitte informieren sie sich auch mit den aktuellen Bedarfslisten. Diese finden sie HIER.)
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Herren-Unterhosen, -Socken und -Schuhe
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Herrenkleidung in den Größen XS/S/M: Pullis, Shirts, Hosen, Jacken
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Schals, Mützen, Handschuhe
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Winterjacken und -schuhe für Männer, Frauen und Kinder
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Hygieneartikel
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Wolldecken
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Badelatschen
Sie können Ihre Spenden direkt zu den beiden Annahmestellen der diakonia in die Dachauer Straße 192 oder am Stahlgruberring 8 in München bringen. Bitte beachten Sie die Annahmezeiten, welche Sie hier finden.
Besonders entrüstete Antworten bekommen die Verantwortlichen der Flüchtlingsinitiativen zu hören, wenn sie Kleidungsstücke ablehnen: elegante Anzugshosen, Pelzmäntel, Damenschuhe mit Absatz beispielsweise. Klar halte ein Ski-Anzug warm, „aber wer bitte läuft mit einem Ski-Anzug durch die Stadt?“, fragt Weidhaase. Gerade weil der Platz in den Sammelstellen knapp sei, müssten derartige Spenden oft abgewimmelt werden.
Auch verschlissene Kleidung wird abgelehnt – zum großen Unverständnis mancher Spender, die sich dann hartnäckig zeigen. Alte Menschen argumentierten dann, dass sie solche Sachen zu Kriegszeiten „selbst einmal tragen mussten“, sagt Bujara. Gerade in München, wo wegen der außergewöhnlich hohen Menge an Spenden auch aussortiert werden könne, sollte die Kleidung aber einwandfrei sein. „Das hat etwas mit Würde zu tun“, urteilt sie.
Auch Menschen, die Flüchtlingen Freizeitangebote machen wollen, reagierten oft enttäuscht und beleidigt, stellen beide fest. Es werde oft zu viel Dankbarkeit erwartet, beklagt Weidhaase. „Nicht jeder Flüchtling will an einem Yoga-Kurs teilnehmen oder ein Fahrrad reparieren“, sagt die Ehrenamtskoordinatorin. „In einer Unterkunft, in der Flüchtlinge wohnen, muss es auch noch so was wie Privatsphäre geben. Es kann nicht rund um die Uhr ein Programm laufen.“
Vieles klinge zwar nett, sei aber wenig hilfreich. Etwa ein Kunstprojekt mit jugendlichen Flüchtlingen, das ein Lehrer anbot. „Da sind die Vorstellungen manchmal unrealistisch“, sagt Bujara. Junge Flüchtlinge seien oft schon damit überlastet, Alltag, Schulstoff und Deutschkurs zu bewältigen. „Zusätzlich Angebote sind gut gemeint, aber stellen häufig eine Überforderung dar.“
Hilfe sei auch dann schlecht durchdacht, wenn sie ausgrenze. Dass passiere oft unbewusst. Gerade „Sonderangebote“ für Flüchtlinge findet Weidhaase bedenklich. Gut seien Offerten vor allem dann, wenn sich Unternehmen, Vereine und Schulen in all ihren Strukturen für Flüchtlinge öffneten. Anders gelinge keine Integration. Stattdessen würden Parallelwelten für Flüchtlinge geschaffen.
Weidhaase und Bujara machen den meisten Helfern keinen Vorwurf – oft könnten die nicht wissen, was gebraucht werde, was hilfreich sei und was nicht. „Ganz dringend“ fehlten Beratungsstrukturen, klagt Weidhaase. „Man sollte sich als Spender am besten überlegen, wo man welche Spenden abgibt“, sagt sie. Sinnvoll sei es, projektbezogen oder standortbezogen zu spenden: den Ski-Anzug also zu einer Skischule geben, die Kurse für Flüchtlinge anbietet.
Kritisch wird es dann, wenn Menschen ihren überflüssigen Kram wie auf einem Wertstoffhof billig und zeitsparend abladen wollen. Das sei „nicht mal mehr gut gemeint“, sagt Klaus Honigschnabel von der Inneren Mission in München. Manche brächten Säcke mit verdreckter Unterwäsche oder Tüten voller linker Schuhe. Honigschnabel vermutet dahinter dann allerdings mehr ein politisches Statement als schlichtes Unwissen. (dpa/lby)
Von Teresa Tropf, dpa