
Unsere Stadt soll urbaner werden: München will Street-Art fördern
In Metropolen wie New York und Berlin steht Street-Art für eine lebendige, aufstrebende Kulturszene. Auch München war einmal eine Hochburg dieser Kunst. Nun soll ein neuer städtischer Sachbearbeiter die Szene wiederbeleben. Kann das gelingen?
Im März 1985 machten sieben Jugendliche München zur deutschen Hauptstadt der Street-Art. Sie besprühten in nur einer Nacht eine am Bahnhof Geltendorf stehende S-Bahn von vorne bis hinten mit Graffiti. Eine bis dahin einmalige Aktion mit großer Wirkung auf die junge deutsche Szene.
Seitdem hat sich in der weltweiten Street Art viel getan. Aus der in New York entstanden anarchischen Subkultur ist eine viel beachtete Kunstform geworden. Künstler wie der Brite „Banksy“ werden weltweit gefeiert und in Städten wie New York, Berlin oder Paris ist Street-Art ein oft fotografierter Teil des urbanen Stadtbildes.
München ist auf der Landkarte der Street-Art kaum mehr zu finden. Stattdessen haben Berlin und Hamburg die Vorreiterrolle in Deutschland übernommen. Das hat auch die Stadt München erkannt. Nach einer Stadtratsinitiative der Grünen/Rosa Liste im Frühjahr wird die Stadt einen Beauftragten für Street-Art einstellen.
Kaum nutzbare Flächen in München
„Dafür ist es aller, allerhöchste Zeit und vielleicht sogar schon zu spät“, meint Martin Arz. Er bietet Stadtführungen zum Thema Street-Art in München an und hat am Buch „Street-Art München“ mitgeschrieben. Der Hauptgrund für die geringe Sichtbarkeit der Kunst in der Innenstadt ist laut Arz die Tatsache, dass seit den 80er-Jahren frei nutzbare Flächen in München immer seltener werden. Eine Künstlerszene sei ebenso vorhanden wie großes Interesse der Menschen, zum Beispiel bei seinen Stadttouren. Nur die Freiräume fehlten.
Auch in der Stellenausschreibung der Stadt für „einen/eine Sachbearbeiter/in für den Bereich Street-Art/Graffiti“ wird die Akquise von Flächen neben der Vernetzung mit der Szene als Hauptaufgabe des neuen Angestellten beschrieben. Laut Stadt ist eine Vielzahl an Bewerbungen eingegangen, die oder der neue soll die Arbeit im kommenden Jahr aufnehmen.
„Die Möglichkeit, die eigene Umgebung zu gestalten, ist ein wichtiger Bestandteil von urbanem Leben“, erklärt Jennifer Becker vom Münchner Kulturreferat. „Das wollen wir fördern“. Street-Art habe zudem einen interessanten Nebeneffekt: An den legal besprühten Unterführungen gibt es laut Becker seltener Vandalismus oder andere Verschmutzungen, da die Kunstwerke stärker respektiert werden als graue Betonwände. „Das freut auch das Baureferat“, sagt Becker lachend.
Bleibt die Frage, ob sich eine in ihrem Selbstverständnis durchaus anarchische Kunstform wie Street-Art wirklich durch öffentliches Engagement fördern lässt. Martin Arz glaubt ja. Viele der Münchner Künstler würden sich freuen, an legalen Orten ihrer Kunst nachgehen zu können.
Auch Joab Nist, Betreiber der mit mehr als einer Million Fans größten deutschen Facebook-Gruppe für Street-Art („Street-Art in Deutschland“), sieht Chancen für eine Förderung im freiflächenarmen München. Und der wilde Appeal der Kunst? „Street-Art hat ohnehin bereits eine Kommerzialisierung erlebt“, sagt der Berliner.
Der neue Sachbearbeiter für Street-Art in München wird einiges zu tun haben, um aus der Stadt wieder eine Hauptstadt der öffentlichen Kunst zu machen. Der Münchner Kulturreferent Hans-Georg Küppers stärkt ihm dafür den Rücken: „Wir finden, es könnte durchaus noch mehr Street-Art-Kunstwerke in München geben.“ Es muss ja nicht gleich ein ganzer S-Bahn-Zug sein.