Justizexperten: Anwerbung durch Salafisten hinter Gittern verhindern
Gut organisierte Islamisten und Salafisten suchen hinter Gittern gezielt nach Häftlingen, die sie missionieren können. In vielen europäischen Gefängnissen ist das bereits gang und gäbe. Auch in Deutschland stehen insbesondere junge Straftäter im Fokus.
München/Stuttgart – Islamisten versuchen nach Angaben von Justizexperten, immer stärker auch in Gefängnissen Kandidaten für den Dschihad anzuwerben. Dem in anderen europäischen Staaten bereits seit langem bekannten Phänomen wollen sich Baden-Württemberg und Bayern rechtzeitig stellen. «In der Haft treffen ideologisierte Dschihadisten häufiger auf eine anfällige Klientel», sagte Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) anlässlich einer Fachtagung in München am Montag.
Radikalisierte Gefangene zu erkennen, aber nicht alle Häftlinge muslimischen Glaubens unter Generalverdacht zu stellen, sei ein «regelrechter Drahtseilakt», sagte Inken Gallner, Amtschefin im Stuttgarter Justizministerium. Spätestens seit den Anschlägen von Paris und Kopenhagen sei die Anwerbung in den Haftanstalten in den Fokus gerückt. «Kopenhagen hat die Wunde nur noch weiter aufgerissen», betonte Gallner. Die Attentäter von Paris hatten sich im Gefängnis kennengelernt, der Attentäter von Kopenhagen war kurz vor der Tat aus der Haft entlassen worden. Eine generelle Isolation von Islamisten hinter Gittern lehnten Vertreter der Bundesländer ab.
Vor allem junge Straftäter seien gefährdet. Sie hätten niedrige Bildungsabschlüsse, seien gewaltbereit und suchten einfache Erklärungen für ihr Leben sowie Anerkennung. Viele Syrien-Ausreisende sind zuvor straffällig gewesen.
Für Baden-Württemberg und Bayern gibt es momentan keine Anhaltspunkte für islamistisch-salafistische Netzwerke in den Gefängnissen. «Von aktuell rund 6500 Gefangenen besteht nach unserer Einschätzung bei 4 Gefangenen radikal-islamistisches Gedankengut. Diese Gefangenen stehen unter unserer besonderen Beobachtung», sagte ein Sprecher von Baden-Württembergs Justizminister Rainer Stickelberger (SPD). Im bayerischen Haftanstalten sitzen nach Angaben einer Sprecherin des Justizministeriums 2 Syrienheimkehrer, weitere 20 Gefangene seien einschlägig bekannt beziehungsweise in den Justizvollzugsanstalten aufgefallen.
Die Experten waren sich einig, dass es kein Patentrezept gibt, «weil es viele unterschiedliche Wege zur Radikalisierung gibt», sagte der Leiter der bayerischen JVA Ebrach, Gerhard Weigand. Sein baden-württembergischer Kollege von der JVA Mannheim, Thomas Weber, sagte: «Die Anzahl von Gefangenen mit islamistischem Gedankengut wird zunehmen.»
(dpa/lsw)