München: Bayerischer Neonazi-Anführer muss erneut im NSU-Prozess aussagen

Im NSU-Prozess muss am Mittwoch erneut ein früherer Anführer der bayerischen Neonaziszene als Zeuge aussagen. Er soll das NSU-Umfeld um den „Thüringer Heimatschutz“ (THS) beraten und unterstützt haben.

 

Zum THS gehörten auch Beate Zschäpe und ihre beiden mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Die Bundesanwaltschaft wirft dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ zehn Morde und zwei Sprengstoffanschläge vor.

 

Bei seiner ersten Vernehmung vergangene Woche hatte der bayerische Neonazi behauptet, er habe seine Thüringer „Kameraden“ stets ermahnt, sich an die Gesetze zu halten. Er habe zu den Größen der bundesweiten Szene gehört und persönliche Kontakte „bis ganz oben“ zu dem Hamburger Christian Worch gehabt. Nach dem Fall der Mauer hätten die westdeutschen Neonazis systematisch die Szene in der früheren DDR aufgebaut. Der Zeuge räumte außerdem ein, V-Mann des bayerischen Verfassungsschutzes gewesen zu sein.

 

Im Anschluss hatte er für einen kurzen Tumult vor dem Münchner Gerichtsgebäude gesorgt. Ein Fotograf hatte ihn beim Verlassen fotografiert. Daraufhin zog sich der Mann eine Sturmhaube vors Gesicht und verlangte brüllend die Speicherkarte des Fotografen. Nach Vermittlung von Polizei und Gericht verkaufte ihm der Fotograf die Karte für 25 Euro.

 

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Isoliertes Trio oder Terror-Netzwerk – Streit um Identität des NSU

 

Beim NSU-Prozess haben Nebenkläger und Bundesanwaltschaft erneut darüber gestritten, ob der „Nationalsozialistische Untergrund“ ein isoliertes Trio war oder zu einem größeren Terror-Netzwerk gehörte. Die Anklagebehörde wandte sich am Dienstag gegen mehrere Anträge, mit denen die Nebenkläger die Beteiligung von Unterstützern vor Ort an den zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen beweisen wollen.

 

So widersprach Oberstaatsanwältin Anette Greger der Forderung, Mitglieder der militanten Gruppe „Combat 18“ in Dortmund als Zeugen zu laden. Es gebe „keine konkreten Anhaltspunkte“, dass diese Gruppe Kontakt zum NSU hatte. „Die Aufklärung der Dortmunder Strukturen kann nicht zur Aufklärung der angeklagten Straftaten führen“, sagte sie.

 

Dem widersprachen einige Nebenkläger, die die Angehörigen der Opfer vertreten. Rechtsanwalt Sebastian Scharmer verwies auf die aktenkundige Aussage eines Dortmunder Neonazis. Dieser habe in einer Polizeivernehmung erklärt, er könne die Herkunft zweier Pistolen des NSU klären. Er müsse deshalb als Zeuge geladen werden. Rechtsanwalt Yavuz Narin sagte, es bestehe der Verdacht, dass das NSU-Trio selber eine «Combat 18»-Zelle gewesen sei. „Combat 18“ gelte als bewaffneter Arm der „Blood & Honour“-Bewegung.

 

Zuvor hatte das Oberlandesgericht München erneut das NSU-Bekennervideo auf einer Leinwand im Verhandlungssaal vorgeführt, außerdem zwei frühere Versionen des Videos, die auf Festplatten in der ausgebrannten Wohnung des Trios in Zwickau gefunden wurden. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe verbarg ihr Gesicht hinter ihren Haaren, als die Videos liefen.

 

Anlass für die neuerliche Vorführung war eine schriftliche Auswertung aller darin enthaltenen Aussagen als eingeblendeter Text oder gesprochenes Wort. Das Gericht hatte diese Auswertung bei der Bundesanwaltschaft in Auftrag gegeben. Die Videos zählen zu den wichtigsten Beweisstücken im NSU-Prozess. Sie enthalten Material, das nach Überzeugung der Behörden nur die Täter besitzen konnten, darunter Fotos von mehreren Tatorten.

 

Am Morgen hatte das Gericht einen inzwischen pensionierten Kripo-Ermittler angehört, der Zschäpe vor 18 Jahren in Jena vernommen hatte. Er erinnerte sich daran nur vage, wisse aber noch, dass es damals um eine Puppe mit einem Judenstern gegangen sei, die Unbekannte an einer Autobahnbrücke aufgehängt hatten.

 

RG / dpa

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