"Ein Schauprozess" - Früherer Neonazi-Anführer schmäht NSU-Verfahren
München – Der frühere Neonazi-Anführer Tino Brandt hat das NSU-Verfahren gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Terrorhelfer als «Schauprozess» geschmäht. «Ich halte diese NSU-Mordgeschichte privat nicht für glaubhaft und das für einen Schauprozess», sagte Brandt, einst gut bezahlter V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes, am Mittwoch als Zeuge vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG). Die Angeklagten würden «mit Sicherheit» verurteilt, ob die Vorwürfe stimmten oder nicht, und damit müsse man dann eben leben.
Der Terrorzelle «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU), die aus der Hauptangeklagten Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bestanden haben soll, werden unter anderem zehn Morde zur Last gelegt. Neun der Opfer waren Zuwanderer mit türkischen und griechischen Wurzeln. Auf die Frage eines Nebenklage-Vertreters sagte Brandt, er «persönlich» glaube nicht, «dass die zwei Uwes das gewesen sind». «So wie ich sie kennengelernt habe, glaube ich die Geschichte nicht.» Brandt war als Gründer des «Thüringer Heimatschutzes» (THS), aus dessen Umfeld der NSU entstanden sein soll, einer der führenden Köpfe der damaligen Neonazi-Szene. Im NSU-Prozess ist er einer der wichtigsten Zeugen.
Brandt vor Durchsuchungen gewarnt worden
Brandt machte vor Gericht keinen Hehl aus seiner heutigen politischen Einstellung. So sei er nach wie vor der Meinung, dass «die Familienzusammenführung» bei türkischen Familien in der Türkei und nicht in Deutschland stattfinden sollte. Zudem brüstete er sich damit, «genug Führerzitate» von Adolf Hitler zu kennen. Brandt räumte auf Nachfrage Auslandsreisen nach Südafrika und in die USA ein. Dort habe er an Schießübungen teilgenommen. Eine Nebenklage-Anwältin hielt Brandt zudem vor, auch auf einem Grundstück in Thüringen mit Waffen geschossen zu haben – wie auch Böhnhardt. Das wies er zurück.
Brandt war von 1994 bis 2001 eine der wichtigsten Quellen der Geheimdienste in der rechtsextremen Szene. Nach Darstellung Brandts hätte sein THS ohne die Zahlungen, die er als V-Mann vom Verfassungsschutz erhielt, «mit Sicherheit nicht die bundesweite Bedeutung und die Größe» bekommen. Das Geld sei für seine politischen Aktivitäten draufgegangen. Zudem bekam Brandt nach seiner Aussage Geld für technisches Gerät und Anwaltskosten. Zwei oder drei Mal sei er auch vor bevorstehenden Durchsuchungen gewarnt worden.
Bundesanwaltschaft stützt Verteidigung
Unterdessen wurde bekannt, dass der mutmaßliche NSU-Terrorhelfer Ralf Wohlleben aus Protest gegen eine Begrenzung von Wochenendbesuchen in der Haftanstalt München-Stadelheim mit Hungerstreik gedroht hat. Das geht aus einem Schreiben der JVA an das Oberlandesgericht von Anfang August hervor, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Darin heißt es, in einer Sprechstunde habe Wohlleben einer JVA-Abteilungsleiterin angekündigt, er werde über seine Anwälte gegen die neue Regelung vorgehen, «ggf. werde er in den Hungerstreik treten».
Der im NSU-Prozess angeklagte Wohlleben hatte bisher jedes zweite Wochenende Besuch von seiner Frau und seinen beiden Töchtern. Die JVA kündigte nun aber an, wegen Personalmangels keine regelmäßigen Wochenendbesuche mehr zuzulassen – sondern nur noch einmal im Monat. Wohllebens Anwältin Nicole Schneiders sagte, sie habe ein Festhalten an der bisherigen Regelung beantragt. Die Bundesanwaltschaft setzte sich in einem Schreiben an das OLG ebenfalls dafür ein, dass Wohlleben seine Familie so häufig wie bisher empfangen darf – der Staat habe auch bei einem Gefangenen «Ehe und Familie» zu schützen.
Zschäpe ist nicht davon betroffen
In Justizkreisen hieß es, bei Wohllebens Hungerstreik-Drohung habe es sich vermutlich um eine «spontane Unmutsäußerung» gehandelt. Man habe aber inzwischen eine einvernehmliche Lösung gefunden. JVA-Leiter Michael Stumpf sagte dazu lediglich: «Wir finden bei berechtigten Anliegen immer eine Lösung.» Er verwies zudem darauf, dass die Justizvollzugsanstalt die Besuchszeiten im Interesse der Angehörigen der Gefangenen von Montag bis Freitag nahezu verdoppelt habe.
Die neue Regel gelte nicht nur für Wohlleben, sondern «gleichermaßen für alle Gefangenen», wurde von der JVA betont. In anderen Gefängnissen gebe es zudem ebenfalls Einschränkungen. Die Hauptangeklagte Zschäpe ist demnach von der Neuregelung nicht betroffen, weil sie nie an Wochenenden Besuch bekomme. Zschäpe und Wohlleben sitzen seit November 2011 ununterbrochen in U-Haft.
make/dpa