Forscher kritisiert spektakuläre Touristenattraktionen in Alpen
Erlangen/München – Spektakuläre Touristenattraktionen in den Alpen sind nach Ansicht des Regionalforschers Werner Bätzing der falsche Weg. „Diese Inszenierungen haben kurzfristig einen Wow-Effekt, aber schon im übernächsten Jahr sind sie überholt – dann muss die nächste Attraktion geschaffen werden, die noch spektakulärer ist“, sagte der renommierte Alpenforscher von der Universität Erlangen-Nürnberg.
„Das ist ein permanenter Rüstungswettlauf zwischen den Tourismusgemeinden, der in eine absurde Steigerung führt, die mit den Alpen überhaupt nichts mehr zu tun hat.“ Die Alpen stünden eigentlich für Ruhe, für ein Zu-sich-selbst-Kommen. Darauf solle auch der Tourismus eingehen.
Große Probleme für Bevölkerung und Wirtschaft
Er sollte die Menschen dazu bringen, die Umwelt in den Alpen zu entdecken, etwas über ihre Geschichte zu lernen oder die dortige Kultur kennenzulernen, forderte Bätzing. „Aber die heutigen Angebote mit den ganzen Inszenierungen gehen genau in eine andere Richtung. Dort werden die Dinge austauschbar.“ An Drahtseilen können Waghalsige etwa über Schluchten rutschen oder von waghalsigen Aussichtsplattformen in die Tiefe blicken.
Die Gemeinden in den Alpen hätten die gleichen Probleme wie in vielen ländlichen Regionen in Deutschland – etwa Bevölkerungsschwund und wegbrechende Arbeitsplätze aufgrund fehlender Infrastruktur. Ein Sonderfall sei allerdings, dass das Gebirge von den Verbindungswegen zwischen den großen europäischen Metropolen zerschnitten werde. Entlang dieser Transitachsen gebe es eine Verstädterung, berichtete Bätzing. „Aber jenseits dieser Talachsen haben Bevölkerung und Wirtschaft große Probleme.“
Doch die dezentralen, dünn besiedelten ländlichen Räume hätten eine wichtige Funktion: „Sie sind notwendig, damit die dichten, großstädtischen Netzknoten auf Dauer stabil bleiben.“ Der ländliche Raum sorge für Bodenhaftung bei den Städtern, indem er ihnen Identität gebe und Naturerleben ermögliche. „Wenn man alles nur auf die Städte konzentrieren würde, befürchte ich, dass sich diese städtischen Zentren aus inneren Widersprüchen heraus schnell selbst zerstören.“