Karfreitag und Co.: "Stille Feiertage" verstoßen teilweise gegen das Grundgesetz
Der ausnahmslose Schutz des Karfreitags in Bayern verstößt gegen das Grundgesetz. Das hat das Bundesverfassungsgericht mit einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss festgestellt. Die Karlsruher Richter gaben damit einer Verfassungsbeschwerde des Bundes für Geistesfreiheit statt.
Ob und wenn ja wie die Staatsregierung nach dem Urteil künftig mit der Genehmigung von öffentlichen Unterhaltungsveranstaltungen an den sogenannten stillen Feiertagen verfahren wird, ist aber offen.
„Wir werden dem Schutz des Karfreitags und der stillen Tage weiterhin Vorrang einräumen“, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Denn – so die Lesart der Staatsregierung – das Gericht habe in seinem Urteil auch deutlich gemacht, welch hohe Bedeutung der Karfreitag als stiller Tag genieße. „Deshalb bleibt für uns die Leitlinie, den Charakter der stillen Tage, wie etwa den des Karfreitags, in Bayern auf jeden Fall beizubehalten und nicht anzutasten.“
Die anerkannte Weltanschauungsgemeinschaft, Bund für Geistesfreiheit, vertritt die Interessen konfessionsloser Menschen und will die strikte Trennung von Kirche und Staat. Um die bayerische Regelung gerichtlich prüfen zu lassen, hatte die Gruppierung am Karfreitag 2007 eine Veranstaltung in einem Münchner Theater organisiert. Die zum Abschluss geplante „Heidenspaß-Party“ wurde – wie abzusehen war – untersagt.
Zu Unrecht, sagte nun das Verfassungsgericht. Zwar darf der Karfreitag als „stiller Tag“ laut Beschluss besonders geschützt werden. Jede Befreiungsmöglichkeit von vorneherein auszuschließen, sei aber unverhältnismäßig.
Für Herrmann war diese Veranstaltung eine „gezielte Provokation“. Daher werde die Staatsregierung nun „in Ruhe prüfen“, wie die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Ausnahmemöglichkeiten gestaltet werden können. „Es geht schließlich um nur wenige, aber zentrale Tage für das religiöse Leben in Deutschland.“ Ähnlich äußerte sich auch die CSU-Fraktion im bayerischen Landtag.
CSU-Chef Horst Seehofer hat auch keinerlei Verständnis für die Entscheidung: „Man kann nur noch den Kopf schütteln, mit welchen Spitzfindigkeiten heutzutage Urteile gefällt werden“, sagte er am Rande der Landtagssitzung in München. CSU-Vize Manfred Weber hält das Urteil ebenfalls für einen Fehler: „Das Gericht übersieht, dass es nicht immer die gesellschaftliche Mehrheit sein muss, die Toleranz zeigen muss. Auch die gesellschaftliche Minderheit könnte am Karfreitag durchaus einmal tolerant sein.“
Mit Ausnahme des Tags der Deutschen Einheit sind die Feiertage in Deutschland durch Landesgesetze festgelegt. Die sogenannten stillen Tage genießen speziellen Schutz. In Bayern gehören dazu zum Beispiel auch Allerheiligen und der Heilige Abend. An „stillen Tagen“ sind im Freistaat „öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt, wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist“.
Die striktesten Regeln gelten für den Karfreitag. Dann sind auch Sportveranstaltungen und „musikalische Darbietungen jeder Art“, „in Räumen mit Schankbetrieb“ verboten. Für die anderen Tage sind Ausnahmegenehmigungen möglich, „nicht jedoch für den Karfreitag“. Diese letzte Regelung erklärt das Bundesverfassungsgericht jetzt für nichtig. Damit muss das Gesetz in diesem Punkt geändert werden.
Die Entscheidung bedeutet aber nicht, dass in Zukunft an Karfreitag jede Party stattfinden darf. Die „Heidenspaß-Party“ hätte aber erlaubt werden müssen, weil es den Veranstaltern nicht nur um Spaß oder kommerzielle Interessen gegangen sei. Die Veranstaltung habe die öffentliche Meinungsbildung und Weltanschauungen berührt.
„Pauschale Totalverbote à la CSU helfen uns hier nicht weiter und werden zu Recht von den Menschen in Bayern nicht mehr akzeptiert“, lobten die Grünen im Landtag die Entscheidung. Der Schutz der Feiertage und der Respekt vor der Religionsfreiheit seien sehr wichtig. „Die genaue Ausgestaltung muss aber der Lebenswirklichkeit der Menschen in Bayern entsprechen.“ Die Freien Wähler forderten von der Staatsregierung ein „verfassungsfestes Feiertagsgesetz“.
dpa/lus