München – Nach dem Amoklauf eines 18-Jährigen in München versuchen die Menschen zur Normalität zurückzufinden. Am Tatort erinnern vertrocknete Blumen und abgebrannte Kerzen an den Abend, der neun unbeteiligte Menschen das Leben kostete – und eine ganze Stadt in Panik versetzte.
Der Abend des 22. Juli 2016 hat sich den Menschen in München tief in die Erinnerung eingebrannt. Neun Menschenleben löschte ein 18-Jähriger mit seinem Amoklauf aus und nahm sich dann das Leben. Zahlreiche Menschen wurden verletzt, viele traumatisiert, eine ganze Stadt wurde in einen Ausnahmezustand versetzt. Einen Monat später herrscht wieder Alltagstrubel am Tatort am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) im Norden der Stadt. Es muss schließlich weitergehen.
Allein fünf Menschen hat der Amokläufer in der McDonald’s-Filiale an der Hanauer Straße erschossen. Das Schnellrestaurant ist seitdem geschlossen und wird umgebaut. Die Filiale soll in der bisherigen Form nicht wiedereröffnet werden, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Details sollten aber erst «zu gegebener Zeit» bekannt gegeben werden.
Eines der Opfer ist Benet A. Der 13-Jährige saß an jenem Freitagabend mit drei Freunden und zwei Freundinnen im McDonald’s, als der Amokläufer plötzlich zu schießen begann. Er wird von zwei Kugeln getroffen. Eine durchschlägt die Lunge, eine den Oberkiefer des Buben. Seine drei Freunde sterben. Nach zwei Wochen im Krankenhaus ist Benet inzwischen wieder zu Hause, berichtet Birgit Lauterbach, Apothekerin und Arbeitgeberin seines Vaters. Physisch gehe es ihm besser, jedoch trauere er sehr um seine Freunde.
Damit Benet und seine aus dem Kosovo stammende Familie bestmöglich versorgt werden können, hat Birgit Lauterbach ein Spendenkonto eingerichtet. Die Resonanz sei überwältigend, sagt sie. Der Vater ist als Fahrer in der Apotheke angestellt, die Mutter ist Hausfrau. Mit dem Spendengeld sollen beispielsweise Rechnungen für die Zahnprothesen des 13-Jährigen bezahlt werden und auch eine Kinderbetreuung für die beiden jüngeren Geschwister von Benet, während die Mutter ihn zum Arzt begleitet.
Mehrere Schulen in München und Umgebung sind unmittelbar von dem Amoklauf betroffen, weil Schüler getötet worden sind und andere die Tat miterlebt haben. Weitere Schulen seien mittelbar betroffen, weil Schüler Opfer kannten oder Geschwister haben, die Opfer kannten, sagt Schulamtsleiterin Alexandra Brumann. Betroffenheit habe auch an den beiden Schulen geherrscht, an denen der Täter Schüler war.
Noch am Abend des Amoklaufes seien einige Lehrer von Schülern via SMS informiert worden, dass Mitschüler gestorben seien. Am Tag darauf hätten sich Schulleiter und Schulräte getroffen und das Kriseninterventionsteam (KIBBS) angefordert. Schulpsychologen kümmerten sich um die Kinder und Jugendlichen. Die Schulen hätten mit unterschiedlichen Angeboten wie einem Trauerraum, Gesprächskreis, religionsübergreifender Gedenkfeier und Schweigeminute reagiert.
Die Stadt München hat für Betroffene des Amoklaufs ein Spendenkonto und eine Servicestelle eingerichtet. Diese soll Menschen unbürokratisch Hilfe vermitteln, die durch das Erlebte psychische oder physische Verletzungen erlitten haben.
Im OEZ hatten bereits am Montag nach dem Amoklauf die Geschäfte ihren regulären Betrieb wieder aufgenommen. Blumen vor dem OEZ erinnerten nach wie vor an die Tat, sagt Centermanager Christoph von Oelhafen. Immer wieder bleiben Menschen an den Blumen, Teddys und Kerzen stehen. Die Betroffenheit ist groß, die Sehnsucht nach Normalität auch. «Verschonen Sie mich», sagt eine Anwohnerin des Hauses, vor dem sich der 18-Jährige nach seinem Amoklauf erschossen hat. «Ich will damit nichts mehr zu tun haben.»
(dpa/lby)