Do, 20.08.2015 , 17:19 Uhr

München: Seehofer beruft Asyl-Sondersitzung ein

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat aufgrund der anhaltend hohen Flüchtlingszahlen eine Sondersitzung des Kabinetts einberufen. Auch Bayerns Verwaltungsminister schlagen wegen zu hohem Arbeitsaufwand Alarm.

 

Sozialministerin Müller rechnet mit 120.00 Asylbewerbern für 2015

Für Bayerns Minister und Staatssekretäre enden die Sommerferien heuer früher als üblich: Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat für den 2. September wegen der anhaltend hohen Flüchtlingszahlen eine Sondersitzung des Kabinetts einberufen. Anlass ist die neue Prognose der Bundesregierung, derzufolge heuer bis zu 800 000 Asylbewerber nach Deutschland kommen könnten, wie die Staatskanzlei am Donnerstag mitteilte.

„Das bedeutet für Bund, Länder und Kommunen eine gewaltige Herausforderung, die schnelle und wirksame Maßnahmen in den verschiedensten Bereichen erfordert“, heißt es in der Ankündigung. Einen Tag später ist am 3. September dann ein Asylgipfel in der Staatskanzlei mit Kommunalpolitikern, Wohlfahrtsverbänden und Kirchen geplant. Bayernweit gibt es inzwischen kaum noch verfügbare Immobilien, so dass händeringend neue Unterkünfte gesucht werden.

Bayern nimmt nach dem festen Verteilungsschlüssel unter den Ländern 15,3 Prozent aller Flüchtlinge auf, die in Deutschland registriert werden. Sozialministerin Emilia Müller rechnet deswegen inzwischen mit bis zu 120 000 Asylbewerbern, die heuer in Bayern untergebracht werden. Die CSU-Politikerin forderte deshalb finanzielle Hilfe von der Bundesregierung: „Wir können diese Last nicht mehr alleine stemmen.“ Müller war noch am Dienstag von niedrigeren Zahlen ausgegangen, doch hatte die Bundesregierung ihre Asylbewerberprognose unerwartet stark nach oben korrigiert.

 

Verwaltungsrichter warnen vor Überlastung

Auch Bayerns Verwaltungsrichter schlagen wegen des starken Anstiegs der Asylverfahren Alarm. Es sei absehbar, dass sowohl die Asylverfahren als auch in der Folge die allgemeinen Verfahren „bald nicht mehr innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu bearbeiten“ sein würden, schreibt der Verband der bayerischen Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen an SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Die personelle Ausstattung der Verwaltungsgerichte sei auf die Herausforderungen „nicht ausgerichtet“. Rinderspacher forderte deswegen mindestens 50 neue Richterstellen.

Lange Verzögerungen halten die Verwaltungsrichter aus mehreren Gründen für nicht akzeptabel: „Eine andauernde Ungewissheit im Hinblick auf das weitere Schicksal ist vor allem den Flüchtlingen nicht zumutbar“, schreibt die Verbandsvorsitzende Sabine Lotz-Schimmelpfennig.

Die Juristen haben aber auch die Kosten im Blick: Lotz-Schimmelpfennig argumentierte, dass unberechtigte Asylbewerber bei langer Prozessdauer auch länger in Deutschland bleiben und am Ende mehr Kosten verursachen würden als neue Richterstellen. Ähnliche Brandbriefe schickten die Verwaltungsrichter auch an Seehofer, Innenminister Herrmann, Finanzminister Markus Söder (alle CSU) sowie alle Fraktionsvorsitzenden im Landtag.

Opposition kritisiert Asylpolitik der Staatsregierung

SPD-Fraktionschef Rinderspacher kritisierte: „Mit dem jetzigen Personalstand können die Verwaltungsgerichte die steigende Zahl der Asylverfahren nicht bewältigen.“ Auch sei die Qualität von Verfahren und Entscheidungen immer weniger gewährleistet. „Wenn die Staatsregierung nicht handelt, nimmt die Verfassungsaufgabe der Verwaltungsgerichte Schaden, den Bürgern effektiven Rechtsschutz zu gewähren“, warnte der SPD-Politiker.

Noch schärfer äußerte sich Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger: „Es ist eine Unverschämtheit der Bayerischen Staatsregierung, dass sie von den Kommunen erwartet, die ständig steigende Zahl von Asylbewerbern unterzubringen, selbst aber nicht einmal die dringend benötigten Asyl-Richter einstellt.“ Das Asylchaos in Bayern habe „einen Namen: CSU.“

Unklar sind die Auswirkungen auf den Staatshaushalt. Die Fachleute in Finanz- und Sozialministerium machen sich bereits Gedanken, ob eine weitere Erhöhung der für dieses und nächstes Jahr veranschlagten gut 2,2 Milliarden Euro nötig werden könnte. Bis das geklärt ist, wird aber noch einige Zeit ins Land gehen: Einerseits ist ungewiss, wie viele Asylbewerber tatsächlich noch kommen werden. Andererseits wird erst im September feststehen, wie viele Milliarden der Bund den Ländern zusätzlich für die Unterbringung der Flüchtlinge zur Verfügung stellt.

 

dpa

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