Di, 10.06.2014 , 15:52 Uhr

Marktschellenberg: Eingeschlossener Höhlenforscher ist ansprechbar

Der Einsatz in der „Riesending“‐ Schachthöhle am Untersberg in den Berchtesgadener Alpen geht weiter. Ein sechsköpfiges Rettungsteam aus der Schweiz, Österreich und Deutschland ist derzeit am Unfallort bei dem Patienten, der sich rund 1.000 Meter unter dem Berg befindet.

 

 

Der Mann ist bei Bewusstsein und kann mithilfe der Retter auch gehen. Momentan stehen die weitere medizinische Betreuung und Stabilisierung des Verunglückten im Vordergrund. Dazu bereitet sich ein weiteres Team auf den Einstieg in die „Riesending“‐Schachthöhle vor. Darunter ist auch ein höhlenerfahrener Arzt aus Österreich. In der Einsatzzentrale sind außerdem 16 auf Höhlenbergung spezialisierte Retter aus Triest/Norditalien eingetroffen, die sich ebenfalls auf den Einstieg vorbereiten.

 

 

 

 

Mittlerweile steht auch das Höhlen‐Kommunikationssystem „Cavelink®“, eine auf Langwellen basierende Funktechnik, die Textnachrichten zwischen Höhleneingang und dem Unfallort ermöglicht. Die Riesending Schachthöhle ist hochgradig komplex und technisch extrem anspruchsvoll. Bereits im Einstiegsbereich stürzt das Gelände über frei hängende und steinschlaggefährdete Abseilpassagen rund 350 Meter senkrecht in die Tiefe. Die Stollen setzen sich dann kilometerweit durch Schächte, unterirdische Bäche, Engstellen und Siphons fort. Auf dem gesamten Verlauf der Höhle haben die Retter mittlerweile mehrere Biwaks mit Trinkwasser, Verpflegung und Schlafsäcken eingerichtet. Die Rettung kann sich noch über mehrere Tage hinziehen.

 

 

 

Der in der bayerischen Riesending-Schachthöhle verunglückte Höhlenforscher ist nach Angaben des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) technischer Mitarbeiter der Universität. «Sein Arbeitsgebiet am KIT liegt im Bereich Physik. Das Institut, an dem er tätig ist, beschäftigt sich nicht mit Höhlenforschung», heißt es in einer offiziellen Stellungnahme der Karlsruher Hochschule vom Dienstag.

Um welchen Mitarbeiter es sich genau handelt, wollte das KIT aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre ausdrücklich nicht sagen. «Wir bangen mit den Angehörigen unseres Kollegen und hoffen, dass die laufenden Rettungsarbeiten bald erfolgreich abgeschlossen werden können. Wir wünschen ihm eine baldige und vollständige Genesung», erklärte die Uni.

 

 

 

Hintergrund:

 

 

Der verletzte 52-Jährige aus dem Raum Stuttgart ist ein erfahrener Höhlenforscher. Zusammen mit zwei Begleitern wollte er am Pfingstwochenende die wenig erforschte Höhle weiter erkunden.

«Sie kannten die Höhle», sagt Bärbel Vogel, Vorsitzende des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Die drei seien Mitglied des Verbandes und zählten zu einer Stammgruppe, die immer wieder in die Riesending-Schachthöhle einstieg, um sie zu erforschen. Es ist die tiefste und längste Höhle Deutschlands. Das gigantische Gangsystem umfasst eine Länge von 19,2 Kilometern und ist 1148 Meter tief. «Die Leute, die dort forschen, sind alle nicht leichtsinnig.»
Das trockene Wetter an Pfingsten schien optimal für den Abstieg in das verzweigte Höhlensystem. Denn auch unter der Erde kann starker Regen gefährlich sein – wenn er in den Schächten Wassereinbrüche auslöst.

Am frühen Sonntagmorgen gegen 01.30 Uhr überrascht ein Steinschlag die Männer. Ein Stein trifft den 52-Jährigen am Kopf. Auch der Helm kann den Schlag nicht abfangen. Der Mann erleidet Verletzungen an Kopf und Oberkörper.

 

«Wir versuchen, einen Arzt zu ihm hinunter zu bringen», sagt der stellvertretende Vorsitzende der Bergwacht Bayern, Stefan Schneider. «Es ist extrem schwierig. Es sind nur sehr wenige Spezialisten, die überhaupt in diese Tiefen vordringen können. Die Höhle ist sehr, sehr schwierig.» Gleich am Einstieg muss über 300 Meter senkrecht in die Tiefe abgeseilt werden, ähnlich geht es bis in 1000 Meter Tiefe weiter. Danach müssen die Forscher aus eigener Kraft am Seil wieder hochsteigen. «Es ist eine extreme körperliche und psychische Herausforderung.» Der Arzt habe auf der Strecke erschöpft Pause machen müssen. «Es gibt überhaupt nur ganz wenig Ärzte, die in eine solche Höhle kommen.»
Allerdings gelang es den Helfern, Kabel für eine Telefonverbindung zumindest bis auf knapp 400 Meter Tiefe zu ziehen und vier Biwaks einzurichten – denn wenn die Helfer den Verletzten nach oben schaffen wollen, brauchen sie Rastpunkte. Nahrungsmittel und Wasser wurden in die Tiefe gebracht. Wie lange der Verletzte noch ausharren muss, ist offen.

 

 

jn / dpa

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