Atommüll soll nach Bayern - CSU droht mit Scheitern der Energiewende
München/Berlin – Erstmals überhaupt soll aus dem Ausland zurückkommender deutscher Atommüll auch nach Bayern gebracht werden. Diesen Plan, wonach 26 Castor-Behälter mit radioaktivem Müll auf insgesamt vier Bundesländer aufgeteilt werden sollen, präsentierte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Freitag den vier großen Energiekonzernen in Berlin. Die Staatsregierung legte umgehend wütenden Protest ein und drohte mit einem Scheitern der Energiewende.
Fünf Behälter mit mittelradioaktivem Abfall aus dem französischen La Hague sollen schon 2017 zum Zwischenlager im baden-württembergischen Philippsburg gebracht werden. 21 Behälter mit hoch radioaktivem Müll aus dem britischen Sellafield will Hendricks bis 2020 relativ gleichmäßig auf die Lager bei den Atomkraftwerken Isar (Bayern), Biblis (Hessen) und Brokdorf (Schleswig-Holstein) verteilen. Sie erwarte, dass sich die Konzerne daran «orientieren», sagte Hendricks.
Aigner: „unfreundlicher Akt“
Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU) rügte dies scharf: «Wenn der Bund hier allein entscheiden will, stellt er eine Einigung bei der Energiewende insgesamt infrage», erklärte er. Einseitige Festlegungen des Bundes seien «politisch unklug und dreist». Dies müsse, wie alle anderen Fragen, am Verhandlungstisch mit den Ländern gelöst werden.
«Fakt ist: Wir stehen bei der Energiewende auf der Zielgeraden unserer schwierigen, komplexen Verhandlungen», sagte Huber. Dabei lasse sich kein Bereich isoliert betrachten und entscheiden. «Vielmehr gilt: Alles hängt mit allem zusammen. Eine Energiewende gegen den Willen einzelner Länder hat keine Chance. Wir müssen alle Entscheidungen im gegenseitigen Einvernehmen treffen, auch die schwierige Frage der Zwischenlagerung deutschen Atommülls.» Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sprach von einem «unfreundlichen Akt». Das Konzept sei nicht mit Bayern abgestimmt.
„Ducken uns nicht weg“
Verhandlungen mit den Ländern hatte Hendricks im Frühjahr aber ergebnislos abgebrochen – und dann ihr eigenes Konzept angekündigt. Sie verwies am Freitag nun darauf, dass in Bayern «der bei weitem allermeiste Atommüll produziert worden ist». Die Genehmigung von Transport und Lagerung liege zudem beim Bundesamt für Strahlenschutz.
Im Gegensatz zu Bayern hatten sich die drei anderen Länder schon zur Aufnahme eines Teils der Castor-Behälter bereiterklärt – und sie wiederholten dies am Freitag. «Wir ducken uns nicht weg», erklärte beispielsweise Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne). Hessen stehe nach wie vor zu seiner Verantwortung. «Ich erwarte jetzt, dass auch alle anderen Länder ihrer Verpflichtung nachkommen.»
SPD kritisiert CSU
Aus Schleswig-Holstein kam scharfe Kritik an Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). «Seehofer entwickelt sich zum Dr. No der Politik», kritisierte der Kieler Energieminister Robert Habeck. «Ich erwarte jetzt, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf den Tisch haut und Bayern sagt, was Sache ist», forderte der Grünen-Politiker.
Ein Sprecher des Umweltministeriums in München erklärte dagegen, Bayern setze «auf eine fachlich sinnvolle Lösung». «Die Unterbringung in Deutschland sollte möglichst dort erfolgen, wo die Transportwege aus England und Frankreich kurz sind», erklärte er. Der niederbayerische CSU-Bezirkschef, Manfred Weber, sagte dem «Straubinger Tagblatt», der Bund dürfe «vor allem die Bevölkerung nicht vor den Kopf stoßen». Markus Rinderspacher, SPD-Fraktionschef im Bayerischen Landtag, sagte dazu: «Die CSU hat mit ihrer verantwortungslosen Atompolitik jahrzehntelang hoch radioaktiven Müll produziert. Und die bayerischen Bürger bekommen nun dafür die Quittung, indem der Atommüll bei uns gelagert werden soll.»
Der Bund Naturschutz forderte die Staatsregierung auf, Verantwortung für ihre «verfehlte» Atompolitik zu übernehmen. Es sei unzulässig, «wenn die bayerische Staatsregierung ein Pokerspiel um die Energiewende startet und die Verantwortung für den Atommüll Bayerns mit der Umsetzung der Energiewende in Bayern zu verknüpfen beginnt».
make/dpa